Dunkel ist nur die Nacht
Veröffentlicht am 18.06.2016 in der Kategorie Erotikgeschichten Telefonsex mit ECHTEN Frauen: Zusätzlich mit Kamera Funktion möglich!-1-
Es war ein kalter Regentag. Hinter der Universitätsklinik prasselte seit Stunden das kalte Nass auf den mit toten Blättern übersäten Asphaltparkplatz. Vor dem Eingang des Hauptgebäudes trotzen ein paar einsame Astern in einem großen Betonkübel dem Wetter. Um sie herum faulten tote Stiefmütterchen und verliehen den sich wiegenden Astern eine eisige Aura. Starrköpfig trotzten sie dem Wetter, wiegten sich im frierenden Wind und blühten starr vor sich hin. An den Blütenblättern glitzerten einzelne Regentropfen im Schein des Neonlichts.
Auf den Parklatz fuhr ein schwarzer Wagen, langes Heck, verhangene Fenster, ein dezentes weißes Schild im Heckfenster: „Bestattungen Rheinland“, darunter eine Adresse und Telefonnummer. Der Wagen hielt, ein in schwarz gekleideter Mann stieg aus und klingelte am Hintertor. Die Türe ging auf und ein paar Männer traten heraus. Sie schauten in den Himmel, verfluchten den Regen und machten sich an die Arbeit einen leeren Sarg aus dem Kofferraum zu wuchten. Regen legte sich auf das dunkle Kirschholz.
Die Männer arbeiteten schnell, luden den Fahrer auf einen Kaffee ein und alle traten in das Gebäude. Es war wieder ruhig, nur das Wasser auf den toten Blättern.
Auf der anderen Seite des Betonkomplex sah es kaum anders aus. Der Parkplatz war voller, viele Kleinwagen in allen Farben und Formen gaben dem Besucherparkplatz ein freundlicheres Aussehen, aber es wirkte trotzdem Trist. Die Blätter waren auf Haufen gefegt worden, im einsetzenden Regen liegen gelassen und klebten nun zusammen.
Die immergrünen Büsche im Eingangsbereich trotzen der Kälte besser als die Astern, sie blühten im vollem Grün auf. Eine Mutter kam mit ihren beiden Töchtern aus der Türe und nahmen einen Schwall warme Luft mit sich, der schnell verflog und abkühlte. Sie öffnete einen Regenschirm und ging mit den beiden zu einem roten Volkswagen.
„Wann kommt Papi wieder nach Hause?“
„Wenn es ihm besser geht. “
„Wann ist das?“
„Bald, und jetzt steige ein.
“
Die Frau öffnete die Fahrertüre und fuhr etwas zu schnell vom Parkplatz und aus dem Blickwinkel der Universitätsklinik. Wenn man es über den kalten, nassen und unbelebten Eingangsbereich durch die großen Glastüren, die sich austomatisch öffneten, sollte sich jemand nähern, trat man in eine große, sandsteinfarbende Eingangshalle. Halle war an dieser Stelle das richtige Wort, denn darin hätten mit Leichtigkeit drei Einfamilienhäuser Platz gehabt. An den Wänden gab es blaue Sitzgruppen, unbenutzt.
Informationsständer waren farblich angepasst an den weißen Marmor auf den Boden regelmäßig verteilt. Sie informierten unter Anderem über Schwangerschaft, Krebs, Schlaganfälle und Diabetes.
Hinter dem großzügigen Tresen saßen zwei Angestellte der Klinik. Sie trugen die üblichen tristen Anzüge, hatten die üblichen langweiligen, aber sehr straffen Frisuren und sahen überaus unfreundlich aus, auch wenn sie stets für jeden ein freundliches Guten Tag und ein Lächeln parat hatten.
Am Tresen vorbei zur rechten Hand des Eintretenden war ein Treppenhaus. Links am Tresen vorbei gab es den Aufzug. So gut wie Niemand nutzte je den Treppenaufgang.
Drei Etagen höher und etwa fünfzig Meter weiter rechts lag die Intensivstation. Es war, weil eine Universitätsklinik, eine große, moderne Station mit vielen Ärzten, Studenten und überaus gut ausgebildetem Pflegepersonal. In Zimmer 312 lagen fünf Patienten. Alles junge Männer, die beatmet werden mussten.
Die Wand gegenüberliegend der Betten war aus Glas, dass eine ständige visuelle Kontrolle der dort liegenden gewährleistet werden konnte. Besuche waren strikt verboten, außer man war Angehöriger. Jeder der Männer in diesem Zimmer hatte von einem auf den anderen Tag einmal Besuch von der Familie oder der Ehefrau bekommen. Nicht so der jüngste unter ihnen. Er lag seit vier Wochen in der Klinik und niemand war zu ihm gekommen. Es schien niemanden auf der Welt zu geben, der sich um ihn kümmerte.
Keine Menschenseele war gekommen, um zu betteln ihn doch zu ihm zu lassen. Niemand. Daran dachte der junge Pfleger mit dem Namen Sam Winter, als er die Spätschicht antrat und soeben die Vitalfunktionen checkte. Er sah nicht, wie sich der Brustkorb in einem kurzen Krampf hob und gleich wieder zur Ruhe kam. Er hörte, weil die Glasscheibe im Weg war, nicht das kurze leise Aufstöhnen. Er nahm nicht wahr, dass das EKG soeben für eine kurze Sekunde, nur einen Herzschlag, ausschlug.
Er machte eine kurze Notiz, schnappte sich die Patientenakten und ging um die Scheibe herum in das angrenzende Zimmer, um die Lage der Patienten zu begutachten. Er verweilte am Bett des jungen Mannes länger als nötig. Er überlegte seit Wochen, warum niemand ihn besuchen kam.
Zunächst dachte er, er habe vielleicht gar keine Familie, aber laut den Akten wurden die Eltern benachrichtigt, doch es kam nie ein Besuch. Sie erteilten lediglich eine universelle Erlaubnis alles zu unternehmen, was das Leben des Jungen retten konnte.
Diese Erlaubnis lag der Krankenakte bei. Daraus ging hervor, dass er seit drei Wochen zweiundzwanzig war. Er sah nicht so alt aus. Vielleicht wie achtzehn, aber auf keinen Fall nur drei Jahre jünger, als er selbst. Er schüttelte den Kopf. Das Leben ging weiter, selbst wenn man es nicht mitbekommt, dachte er kurz.
Gedankenverloren sah Sam nach den anderen vier Männern, nur um wieder am Bett des Jungen zu enden.
Er lag dort so verletzlich, so gebrochen und einsam. Die Wunden waren verheilt, es gab keine Brüche. Laut der Krankenakte hatte er einen schweren Unfall gehabt, bei dem es zu einer massiven Hirnblutung kam. Der Druck wurde gesenkt, aber für Teile seines Gehirns war es vielleicht zu spät gewesen, vielleicht würde er nie wieder aufwachen. Da er nach dem Unfall immer wieder aufhörte zu atmen, wurde er an eine Lungenmaschine angeschlossen, diese war noch immer aktiv.
Sie erfüllte das Zimmer mit einem regelmäßigen Rauschen, durchzogen vom Piepen der vielen anderen Maschinen; und dem Piepen und Rauschen der Maschinen der anderen Patienten.
Sam wandte seinen Blick ab, sah aus dem Fenster eine Frau ihre beiden Kinder im Wagen festschnallen und sie schnell vom Parkplatz fahren.
„Es ist glatt und alle rasen. Dann wundern sie sich, warum sie mit gebrochenen Gliedern hier im Krankenhaus aufwachen.
Unverantwortlich. “
Er sah wieder auf den jungen Mann vor sich. Jetzt sah er zum ersten Mal das Zucken bei der Atmung. Er erkannte das Zeichen sofort, drückte den Knopf für den Notfall. Innerhalb von fünfzehn Sekunden waren ein weiterer Pfleger, ein Arzt und zwei Studenten im Raum.
„Was ist los, Sam?“, fragte Dr. Raund.
„Er wehrt sich gegen die Intubation. “
„Seit wann?“
„Ich habe es soeben bemerkt.
“
„Was machen wir in einem solchen Fall, Annika?“, fragte er eine der Studentinnen.
„Abwarten und Beobachten. “
„Richtig. Melde dich in dreißig Minuten bei mir, es sei denn er wacht auf. Du weißt, was zu tun ist, Sam. “
Sam nickte und die anderen verließen den Raum wieder.
Es war gerade sechs Uhr geworden, doch draußen war es dunkel.
Sam setzte sich an das Bett des jungen Mannes und schaute ihn an. Er dachte darüber nach, wie man einen solch nett ausschauenden Jungen so alleine lassen konnte. Wenn das einer seiner Brüder wäre, dann wäre er jede nur mögliche Sekunde an seinem Bett. Nicht, dass Sam so viele Brüder hätte. Er hat nur einen, seinen Zwillingsbruder Tom und fünf Schwestern. Er liebte seine Familie, auch wenn sie weit fort am anderen Ende von Deutschland wohnte.
Sam sah sie so oft es nur ging. Seine jüngste Schwester würde bald von ihrem Auslandsjahr zurück kehren und dann das Sommersemester in Essen mit ihrem zweiten Studium beginnen. Im Grunde war Sally nicht seine jüngste Schwester, sie war nur die jüngste der Schwestern. Sam war der jüngste in der Familie und trat in keine der Fußstapfen der Geschwister. Während sein Bruder in der Kanzlei der Eltern arbeitete und viel Geld machte, saß er als Pfleger in dieser Klinik.
Er liebte seinen Job, er liebte alles, was er für andere Menschen tun kann. Eigentlich war er private Pflegekraft, aber er war vor zwei Monaten von seiner letzten Arbeitsstelle entlassen worden und zurück ans Krankenhaus gegangen.
Sam schaute dem Jungen ins Gesicht, sah, wie sich die Brust wieder verkrampfte. Es hatte sich ein Schweißfilm auf seiner hellen Haut gebildet. Der Körper wehrte sich heftigst gegen den Schlauch in seinem Hals, der ihm eigentlich das Atmen erleichtern sollte.
Sam konnte nicht anders und strich dem Jungen eine schwitzige Strähne aus dem Gesicht.
Er schreckte zurück, als er die Augen sah. Die braunen Augen starrten aus seinem Gesicht. Er verkrampfte die Hände und ballte sie zu Fäusten, jetzt hob sich der Brustkorb deutlichst, er wollte sich den Schlauch entfernen. Sam fasste sich und hielt seine Arme fest. Nach einem Monat im Koma war er nicht stark genug, um sich gegen Sam zu wehren, der eh viel stärker gewesen wäre.
„Ruhig. Bitte, beruhige dich. Ich bin hier. Keine Angst. “
Die Augen des Jungen bewegten sich rasend hin und her, er war aufgewühlt, hatte eindeutig die größte Angst, die er je in seinem Leben gefühlt hatte. Sam kämpfte gegen das Zucken an.
„Du musst dich beruhigen. Wir entfernen den Schlauch sofort. Aber ich muss erst den Arzt holen. Versprich mir, dass du ruhig liegen bleibst und nicht daran herum ziehst.
“, er nickte kurz und ließ seinen Widerstand fallen.
Der Pfleger rief Dr. Raund, welcher sofort kam. Sie entfernten den Schlauch aus dem Hals des Jungen. Er hatte sich soweit beruhigt, dass ein leichtes Sedativum überflüssig war. Seine Augen huschten noch immer Ziellos im Raum umher.
„Was …“, seine Stimmer versagte. Er fasste ins Leere, griff etwas. Zeigte dann auf seinen Hals und versuchte es noch einmal: „Was …“, mehr bekam er nicht hinaus.
Doch Sam hatte ihn bereits verstanden. Er wollte Wasser. Er reichte dem jungen Mann ein Glas, er trank es langsam aus, ließ sich zurück in die Kissen fallen. Die anderen schauten nur, niemand sagte ein Wort.
„Warum ist es so dunkel?“, war sein erster Satz. Sam hatte nicht mit einer so kräftigen Stimme gerechnet. Sie war leise, aber fest, überaus ruhig.
„Können Sie mich sehen?“, fragte Dr.
Raund, der Junge schüttelte den Kopf.
„Was ist los? Wo bin ich?“, Dr. Raund begann die Augen des Mannes zu untersuchen. Die Pupillen verengten sich, reagierten normal, aber er konnte es nicht sehen. Sam sah, dass sich sein Herzschlag beschleunigte. Das EKG kam zum ersten Mal seit Wochen zur Arbeit. Aus dem ruhigen Puls den Jungen war schnell ein rasender geworden. Aber abgesehen von einer höheren Atmungsaktivität war keine äußerliche Panik zu erkennen.
Er lag kaum bewegt in den weißen Laken und starrte ins Nichts.
„Du bist in Essen. Uni-Klinik. Intensivstation. “, klärte er den Jungen auf. Er wandte sich Sams Stimme zu, sah ihn aber nicht. Alles war um ihn herum dunkel. Die Stimmen waren so klar und deutlich, es war, als könne er sie nicht nur hören. Er wusste nicht wie viele Menschen wirklich dort waren, aber er fühlte, dass sie dort bei ihm waren, dass er nicht alleine war.
Es ließ ihn nicht in Panik und Nagst ausbrechen, auch wenn es unter der Schale schrie.
„Sie hatten einen Unfall. Gehirnblutung. Wir werden ein CT machen müssen. “, erklärte Dr. Raund als sein Pieper ging und auch der seiner Studenten.
„Sam, kümmere dich um den jungen Mann. “, sagte er zu Sam und rannte aus dem Zimmer, die anderen hinterher.
„Sam? Ist das Ihr Name? Sam?“, die Hand des Jungen streckte in die Luft.
Sam ergriff sie, setzte sich neben das Bett. „Ich bin hier. Keine Angst. “
Er hatte einen festen Händedruck. Sehr viel fester, als Sam ihn erwartet hätte.
„Was bedeutet das?“, fragte er.
„Du hattest einen Autounfall. In deinem Kopf war eine Blutung, sie haben ein kleines Loch gebohrt, um den Druck zu senken. Seit dem bist du im Koma gewesen.
“
Der Junge schaute weg, oder drehte zumindest seinen Kopf fort. Sie sprachen nicht, Sam beobachtete ihn nur von der Seite aus dem Augenwinkel, als hätte er Angst von ihm gesehen zu werden.
„Wie lange?“, fragte er nach einer Weile, „Was ist heute für ein Tag?“
„Samstag, 28. November. “
„Welches Jahr?“
„Das selbe, wie vor vier Wochen.
Du bist vier Wochen hier. “
Er war still. Dachte wohl nach.
„War meine Familie hier?“, fragte er nach einer Weile. Sam schüttelte den Kopf, dann wurde ihm bewusst, dass er das nicht sehen würde. „Nein. “
Er ließ Sams Hand los. Drehte sich zur Seite, riss dabei an den Kabeln auf seiner nackten Brust, der EKG machte in paar unkontrollierte Sprünge, aber gab keinen Ton von sich.
Es wurde schneller, als der Junge begann sich zu schütteln. Erst nach ein paar Sekunden wurde Sam klar, dass er weinte. Er weinte leise, so dass es niemand hörte. Doch Sam sah es. Er überlegte einen Augenblick, ob er den Raum verlassen sollte, entschied sich jedoch dagegen. Er fasste dem jungen Mann auf die Schulter.
„Hey, willst du darüber reden?“
Doch in dem Moment kam Dr. Raund wieder ins Zimmer.
„Wie geht es ihm, Sam?“
„Mir geht es gut. “, sagte der Junge.
„Sind Sie bereit für ein paar weitere Tests?“, fragte der Doktor, der Junge nickte.
„Wer sind Sie?“
„Matt. “
„Und weiter?“
„Matthias Schaff. “
„Wie alt sind sie?“
„Einund- halt, 28.
November? Ich bin zweiundzwanzig. “
„Woher kommen Sie?“
„Aus Berlin. “
„Können Sie sich an den Unfall erinnern?“
Schweigen. Matt schüttelte langsam den Kopf.
„Sie haben schwere Kopfverletzungen davongetragen. Wir machen noch Heute ein CT. Annika,“, er wandte sich an die Studentin, „schau, dass du ein CT bekommst. So schnell wie möglich. “
„Was ist jetzt?“, fragte Matt.
„Sam wird bei Ihnen bleiben. “
„Ich habe Hunger. “, gestand Matt.
„Nur was leichtes, Sam. Ich komme so schnell wie möglich wieder. Und dann machen wir das CT. “, Dr. Raund wollte das Zimmer verlassen.
„Warum kann ich nichts sehen?“, fragte Matt. Dr. Raund wandte sich um. „Das wird hoffentlich das CT klären. “
„Kann ich wieder sehen?“
„Das kann ich noch nicht sagen.
Und nun entschuldigen Sie mich. “, er rauschte aus dem Zimmer.
„Ist er immer so kurz angebunden?“, fragte Matt Sam. Sam nickte, und hätte sich am liebsten selbst ins Gesicht geschlagen. „Ja, ist er. Magst du Schokopudding?“, Matt nickte.
Sam verließ kurz das Zimmer, um aus dem Kühlschrank einen Pudding zu holen. Er stellte ihn vor Sam auf den Nachttisch, setzte sich daneben und sagte ihm, dass er dort steht.
„Kannst du mir helfen?“, fragte Matt ihn.
„Ja, tut mir leid. “, entschuldigte sich Sam und nahm den Löffel.
„Mund auf. “, Matt gehorchte.
-2-
Sam schob Matts Bett durch die Gänge. Matt hörte ihn schwerer atmen, eine Schwester begleitete das Duo, da es doch recht schwierig ist ein Krankenbett durch viele Flure zu schieben.
Matt hatte darauf gehofft, dass sie ihn laufen lassen würden, oder zumindest in einen Rollstuhl setzten würden. Doch als er sich hinstellen wollte, sackten seine Beine weg und er wäre fast auf das blaue Linoleum gefallen. Doch im selben Moment, wo er seine Beine fühlte wegknicken, hielten ihn starke Arme fest und er roch Sam. Er hatte einen ganz eigentümlichen Geruch. Nicht beißend, wie er irgendwie erwartet hatte, wegen des Desinfektionsmittels, dessen Geruch er schon immer auf eine absurde Weise sehr angenehm fand, noch roch sam irgendwie herb, was Matts zweiter Gedanke gewesen wäre.
Er roch in seiner Art süß, aber nicht kitschig-süß, wie Pfirsich oder wie Honigbalsam. Es war kein Duft, der sich festhalten ließ. Er kam schneller, als Matt ihn überhaupt wahrnahm und hinterließ nur die flüchtige Erinnerung daran. Matt würde ihn als flüchtig, aber einzigartig bezeichnen, wenn er es jemandem erzählen müsste. Er schwor sich mehr auf den Geruch zu achten, denn es schien ihm, als läge darin eine Geschichte, die es zu hören lohnen würde.
Eine Person, die nur durch das, was sie an Duftmolekülen ausströmt, von ihm alleine gesehen werden kann. Es war ein kurzer Blick durch einen Riss in einer Mauer bei Vorbeigehen, ohne, dass er speziell darauf geachtet hätte oder später hätte sagen können, wo der Riss gewesen war. Ein kurzer Augenblick in einer Welt, die bisher vor seinem Auge verschwunden war, die hinter seiner Sicht der Dinge existierte, eine Welt, die so einzigartig ist, dass ein jeder sie für sich hat und nur für sich.
So einzigartig, unglaublich, wie das erste Lächeln eines Kindes. Der erste Blick auf das Meer. Die frühste Erinnerung an den ersten Kuss. Der leise Moment, der dann entstand. Ein Moment, den man nicht fangen kann, aber für immer bewahrt. Ein Moment, an den man sich oft kaum erinnert. Aber ein Moment für die Ewigkeit des Daseins der Person.
Sam rollte das Bett in den Flur vor dem CT. Er half Matt in den Rollstuhl und dann in das CT.
Dr. Raund war wieder da und gab Matt ein Betäubungsmittel, das ihn ruhig werden ließe. Sam beobachtete Matt, wie er in der Röhre lag und die Augen geschlossen hielt. Die Videoübertragung war nur schwarz-weiß, aber es konnte die Angst auf dem Gesicht sehen. Eine Angst, die seinen eigenen Puls in die Höhe trieb. Es war lange her, dass er gehofft hatte, Matt würde wieder aufwachen. Er war vier Wochen im Koma gewesen, das lag weit hinter der Zeit von wenigen Tagen, in denen es normal war, dass eine Person wieder aufwachte.
Als Matt Stunden später in ein Dunkel von undurchdringlicher Schwärze aufwachte, wusste er nicht, wie lange er wieder geschlafen hatte. Er sah nicht, ob es Tag war, ob noch immer die Nacht herrschte oder wo er war. Er sah nichts und fühlte sich zum ersten Mal in seinem Leben unendlich einsam. Er wusste nicht, dass dieses Gefühl, sobald es ein mal auftritt, sich in der Seele festsetzt. Es hinterlässt Spuren, die der Träger eben dieser selbst erst nach vielen Jahren findet.
Spuren, die so unterschiedlich sind, wie die Menschen, die Einsamkeit fühlten. Matts Einsamkeit war nur einen Bruchteil seines Lebens kurz, würde es aber auf immer beeinflussen. Er setzte sich unter Anstrengung auf, seine Knochen taten weh, in seinen Beinen war aus den Muskeln eine Art Wackelpudding geworden. Matt hatte schon immer viel Sport getrieben, er war nie besonders kräftig gebaut, aber er hatte Ausdauer. Man sah ihm sein Alter nicht an, darum musste er auch noch immer in einem Supermarkt oder an der Tankstelle seinen Ausweis vorlegen, wenn er etwas kaufen wollte, worauf Jugendschutz gegeben war.
Er mochte das Gefühl nicht, wenn die Menschen sich dafür entschuldigten, dass er ihn hatte zeigen müssen. Er befürwortet den Jugendschutz und sein Selbstvertrauen war immer groß genug gewesen, um ihm diesen kleinen Tritt in den Magen zu vergeben.
Jedenfalls fühlte er sich jetzt gerade so einsam, verloren und verlassen, wie noch nie in seinem Leben davor. Ihn packte ein Gefühl von Beklemmung, er wusste sich nicht anders zu helfen, als in das Dunkel zu fassen und nichts zu ertasten.
Er nahm seine linke Hand, ließ sie in etwa auf Brusthöhe nach links gleiten und stieß an ein Bettgitter. Selbes fand er auch auf der anderen Seite des Bettes. Jetzt fühlte er sich nicht nur verlassen, sondern auch in gewisser Weise sehr hilflos.
„Ist da jemand?“, rief er. Er hörte, wie sich ein Körper bewegte. Jemand saß an seinem Bett. Er tastete über die Bettdecke und fand eine Hand. Er ergriff sie und drückte sie.
„Hallo? Wer ist das?“, fragte er noch einmal, etwas lauter. Seine Stimme klang noch immer, wie nach einem Schreikonzert am Abend zuvor.
„Mattie? Bist du wach?“
Da war Jo, er fasste die Hand noch fester. Er hatte gehofft seine Stimme wieder zu hören.
„Ja, bin ich. Wie geht es dir?“, fragte er aufgeregt. Noch immer schlug sein Herz hoch, wenn es Jos Stimme hörte, nach all den Jahren, die sie sich nun schon kannten.
„Gut, aber das ist egal. Hauptsache es geht dir wieder gut. “
„Ich kann dich nicht sehen. “
„Ich weiß. “
Damit war alles gesagt. Die beiden Freunde saßen nun nebeneinander. Jo hatte das Gitter auf dieser Seite des bettes herunter gelassen; Jetzt, wo er keine Angst mehr haben musste, dass sein bester Freund aus dem Bett fällt, wenn er mal wieder eingeschlafen war.
Matt hielt sich an Jos Hand fest, seinen Körper wieder in die Kissen gelehnt. In diesem Moment war er nur froh, dass Jo da war. Dass überhaupt jemand da war. Seine Familie war nicht gekommen. Das war wohl der letzte Beweis, den Matt gebraucht hatte, um zu wissen, dass er keine Familie mehr hatte. Dass seine Familie jetzt nur er war, nur er und alle Menschen, die er Freunde nennen konnte. Seine einzige Familie war Jo.
Sein bester Freund, sein einziger Freund, der ihm von Früher geblieben war. Der Freund, der für ihn seine Familie zurückgelassen hatte, damit er nicht alleine wohnen musste, nicht nach dem späten Schulabschluss alleine in eine fremde Stadt gehen musste, um seinen Wunsch zu erfüllen zu studieren. Matt hatte lange überlegt, ob er nicht besser in seiner Heimatstadt geblieben wäre, doch dann hatte Jo gesagt, dass der Mietvertrag ausliefe und sie nun entweder verlängern mussten oder umzogen.
Sie packten alles in ein paar Kisten und waren Anfang Juni in ein kleines Kaff in er Nähe des Ruhrgebietes gefahren, wo sie schnell eine kleine Wohnung fanden. Mit dem Zug waren es nun nur noch knapp fünfzig Minuten bis zur Universität Essen. Sie schrieben sich beide ein, natürlich die selben Fächer und der selbe Stundenplan und fingen im September an.
„Wie läuft das Studium?“, fragte Matt nach langem Schweigen.
„Gut. Es tut mir leid, dass ich nicht da war. “, gestand Jo, „Aber nicht Angehörige dürfen auch nicht auf die Intensiv. Darum habe ich es erst gar nicht versucht. “
Matt konnte die Schuld in seinen Augen in seinem Kopf sehen. Er wusste, dass Jo gekommen wäre. Die beiden sind wie Brüder, schon immer zusammen. Schon immer passte einer auf den anderen auf.
„Was ist passiert, Jo? Niemand hat es mir gesagt.
Was ist passiert?“, fragte Matt leise. Jo ließ Matts Hand los. Er atmete ein, langsam wieder aus. Matt ahnte, dass er Mut sammelte. Warum verstand er nicht, aber so verhielt er sich immer, wenn er etwas unangenehmes sagen musste. „Jo?“, fragte Matt noch einmal.
„Du hattest einen Unfall. Ich — Du bist mit uns zur Halloween-party gegangen. Es war noch nicht spät, als dir nicht gut war. Ich sagte, dass wir gehen könnten.
Du sagtest, du könntest auch alleine gehen. Ich ließ mich überreden. Dann bist du mit dem Bus gefahren. Als du den Ret zur Wohnung gehen wolltest …“, ihm stocke der Atmen, „… hat dich ein Fahrradfahrer mitgenommen. Er hätte dort gar nicht fahren dürfen. Du hast versucht ihm auszuweichen. Aber … Du bist über die Mauer gefallen, weißt du, da wo die Straße über die Bundesstraße geht. “, Jo konnte nicht mehr sagen. Er hatte sich in das Laken gekrampft, die Schuld saß eindeutig in seinen Knochen.
Er sagte sich jeden Tag, dass er hätte mitgehen sollen. Dass das alles nicht passiert wäre, hätte er seinen besten Freund begleitet und nicht alleine nach Hause gehen lassen. Er hasste sich für diese Entscheidung.
„Jo, das ist nicht deine Schuld. “, Matt wusste genau, wie Jo denkt. Er wusste, dass er sich die ganze Schuld geben würde. Er konnte es nicht nur vor seinem geistigen Auge sehen, er hörte es vor allem in der Stimme.
„Ich habe tausend Mal Gott gedankt, dass es an dem Nachmittag so geregnet hatte. Du .. Du bist auf den Grünstreifen gefallen. Der Boden war weich genug. Es tut mir so leid. “, Jo nahm wieder Matts Hand, „Ich hätte mit dir gehen sollen. “
„Nein, hättest du nicht. Dann lägen wir womöglich beide hier. Das hätte ich nicht verkraftet. Jo, hör auf die Vorwürfe zu machen.
“, er zog Jo zu sich, umarme ihn, hielt ihn fest, strich über seinen Rücken.
Jo fühlte sich nicht einen Millimeter besser, aber es war gut, dass Mattie aufgewacht war. Er hatte jeden Tag an seinen besten Freund denken müssen. Selbst seine Schwester hatte er angerufen. Sie wollte die Schule schwänzen und zu ihm kommen, doch er wollte das nicht. Jeden Abend hatten sie telefoniert, doch Jo hatte nach Wochen noch immer das Gefühl Schuld zu sein.
Oft wünschte er sich, es wäre er, der bewusstlos in einem sterilen Zimmer der Uni-Klinik läge. Er wünschte sich, dass Mattie nicht verletzt worden wäre. Aber dann fiel ihm ein, dass er dann hier liegen würde und Mattie den Schmerz ertragen müsste, den er jetzt ertrug. Es war aussichtslos so zu denken, das wurde ihm bald bewusst.
Er hatte sich bei der Frau bedankt, die den Unfall gesehen hatte. Er hatte einen Brief von dem Fahrradfahrer bekommen.
Er wollte ihn, den Fahrer, nicht sehen, zu groß war der Schmerz, die Wut auf ihn. Jo hatte den Brief in die Besteckschublade gelegt. Jeden Tag sah er ihn, es war seine eigene Strafe. Jeden Tag erinnerte er ihn an seine Schuld. Jetzt kam Mattie und sagte es sei nicht seine gewesen, es wäre ihnen beiden passiert. Er dankte Mattie für den Satz. Aber er konnte es nicht wirklich glauben. Doch jetzt musste er stark für Mattie sein.
Er musste seinem Freund helfen, für ihn da sein. Er musste, musste.
„Wann hast du das letzte Mal richtig geschlafen?“, fragte er Jo, dieser löste seinen Kopf von Matts Schulter, sah ihn an.
„Woher?“
„Weil du mein Freund bist, weil ich dich kenne. “
„Ich weiß nicht. Ich schlafe irgendwann einfach vor Erschöpfung ein .. ein paar Stunden nur. Das reicht.
“
„Reicht es nicht. Jo, leg dich neben mich. “, er rutschte zur Seite, machte Platz auf dem schmalen Bett.
„Das geht nicht. Ich komme schon klar. Ich bleibe einfach hier sitzen. Du musst dich ausruhen. “
Jo löste sich aus Matts Umarmung, setzte sich wieder hin, hielt aber weiter seine Hand, dass er weiß, dass er noch da ist.
„Jo, ich bin nicht müde.
Aber du bist es. Ich kann dich vielleicht nicht sehen, aber ich kann es hören. Du klingst, als hättest du eine schlimme Erkältung. Schlaf. Geh nach Hause und schlafe, wenn du schon nicht hier in meinem Bett liegen willst. “, fauchte Matt Jo an.
„Aber …“
„Kein ‚Aber‘, ich brauche dich und ich brauche dich ausgeschlafen. “
„Ich bin auch so für dich da.
“
„Nein, geh nach Hause. Geh nach Hause und schlafe mal wieder. Jo, du bist daran nicht Schuld. Bitte, geh und schlafe. “
Jo erhob sich. Er sah Matt an, wie er in seinen Kissen lag und an die Decke sah. Seine braunen Augen, die einst so voll Leben waren, starrten ohne zu sehen. Er strich Matt über die Stirn, er drehte sich zu ihm hin, sah ihn an, oder es wirkte jedenfalls so.
Jo sah den Schmerz in seinen Augen, aber er wusste, dass sie ihn nicht sahen. Es zerschmetterte sein Herz, aber er wusste, er müsse nun stark sein.
„Ich liebe dich. “, flüsterte er beim Gehen.
„Ich dich auch. Und jetzt verschwinde!“, lachte Matt und warf eines seiner Kissen in die Richtung, wo er Jos Stimme gehört hatte.
-3-
Sam blieb wie angewurzelt vor der Krankenzimmertüre stehen.
„Ich liebe dich. “ – „Ich dich auch. “, die Worte hallten in seinem Kopf nach. Das war keine Frau, die da gesprochen hatte. Es war auch keine Frau, die das Zimmer verließ. Es war ein Mann, Anfang zwanzig, groß, braune Haare und ein charmantes Lächeln. Sam blieb stehen und sah ihm nach, wie er den Gang entlang ging, langsam, schwankend. Hinter der Feuerschutztüre sah er, wie er sich an die Wand lehnte und zu Boden sinken ließ.
Sein Gesicht in den Händen. Sam hatte dieses Bild schon so oft gesehen. Menschen, die zusammenbrachen, sobald ihre Lieben sie nicht mehr sehen. Er hatte nicht erwartet, dass es jemanden gab, der so für Matt fühlte, wo all die Wochen niemand da war. Niemand, der ihn besuchen wollte. Niemand, der sich den Zugang in die Intensivstation erschleichen wollte.
Sam atmete tief ein und betrat dann das Zimmer.
„Jo! Ich habe gesagt, du sollst verschwinden.
“, sagte Matt.
„Er ist weg, gerade durch die Türe raus. “, sagte Sam.
„Oh, okey. “, Sams Stimme überschlug sich in Gedanken mit Entschuldigungen, die er selbst nicht erklären konnte, aber eine erschien ihm unsinniger, als die andere und so schwieg er einfach und starrte vor sich hin.
„Was ist los?“, fragte Matt nach einem langen Schweigen.
„Nichts.
Ich wollte nur mal sehen, wie es Ihnen geht. “, stammelte Sam noch immer nicht sicher, was dieser Knoten in seinem Magen war, den er am liebsten herausgerissen und zerstampft hätte.
„Jetzt weder formell?“, Matt klang enttäuscht. Er hatte gehofft, dass dieser Mann, der so unglaublich gut roch, der ihm die Sinne vernebelte immer wenn er ihn roch, es nicht so genau nehmen würde und dass sie bei den Du bleiben würden, das er benutzt hatte.
„Was? Ja … Nein … Was recht ist. Ich wollte nicht …“, stammelte er. Sam starrte vor sich hin, lächelte.
„Kein Problem. Du ist in Ordnung. Ist mir sogar lieber. “, sagte er leicht amüsiert, dass der Pfleger stammelte, wie ein zwölfjähriger Junge, der soeben mit den Fingern in der Keksdose ertappt wurde.
„Okey. “, Sam lächelte, was Matt nicht sah. Er war erleichtert.
Eigentlich hätte er den Jungen gar nichts duzen dürfen, immerhin wusste er, wie alt er war. Das gehörte sich nicht. Und es erschien ihm in diesem Moment richtig die Distanz zu wahren. Warum das so war, konnte er selbst nicht erklären; aber wenn Matt keine Probleme damit hatte, wieso sollte er sie haben?
„Gibt es etwas neues, Sam?“, fragte Matt schnell, als das Schweigen wieder den Raum einnahm. Matt hatte bemerkt, dass er sich absolut unwohl fühlte, wenn nichts um ihn herum eine Geräusch machte.
Es machte ihn derart nervös und unbehaglich, dass er am liebsten geschrien hätte.
„Wir haben dich auf ein Einzelzimmer gelegt. Hier hast du deine Ruhe. “, ein Stich im Matts Magengegend, von dem er Sam aber nichts erzählte, „Morgen kommt Dr. Raund mit den Testergebnissen. Ich kann dir dazu also nichts sagen. Und du siehst rein gar nichts?“, flüsterte Sam kaum hörbar. Matt wandte ihm sein Gesicht zu, mit diesen unglaublichen Augen, die aber einfach durch ihn hindurch sahen.
„Nein. Nichts. “, antwortete er noch leiser. Matt ließ den Kopf sinken, zum Boden gerichtet. Seine Hände ballten sich zu Fäusten.
„Was mache ich denn jetzt?“, fragte er leise, hielt sich an der Bettdecke fest, „Und was sollen diese bescheuerten Gitter?“, er rüttelte an dem auf seiner linken Seite. Das andere war noch immer herunter geklappt. Jo hatte es bei seinem Abschied nicht wieder hoch gesteckt.
„Sicherheitsvorschrift.
“, antwortete Sam knapp.
„Es gibt Sicherheitsvorschriften für mich?“
„Nein, Ja … ich weiß nicht. Mayhad … Dr. Raund … hat darauf bestanden. Damit du nicht aus dem Bett fällst. “, sagte Sam leise.
„Ich verstehe. “, nickte Matt, „Warum stehst du so weit weg? Ich bin zwar … Ich kann … Also ich kann dich schon hören, weißt du. Komm her. Ich … Bitte.
“, flehte Matt in Sams Richtung. Der stand wie vom Blitz getroffen in der Türe und kam nun langsam zu Matt herüber. Das kalte Licht ließ Matts Haut um keinen Millimeter anders aussehen, als das Tageslicht, das sehr bald im den Horizont erreichen würde und langsam durch das nun nach Osten gerichtete Fenster in den Raum sickern würde. Sie war noch immer unglaublich eben, glatt und doch unergründlich hart im Anblick. Sie war der Grund, warum er so viel jünger aussah.
Sam setzte sich auf den Stuhl, den noch wenige Minuten zuvor Jo warmgehalten hatte. Er rückte ihn etwas zurecht und schaute Matt an.
„Weißt du, was ich schon jetzt vermisse?“, fragte Matt und wandte seinen Kopf in die Richtung, in welcher er Sam atmen hörte, seine Augen war nun geschlossen. Er hatte sich vorgestellt wie unheimlich es sein muss von jemandem angesehen und doch nicht gesehen zu werden. Leere Augen, aber doch nicht tot.
Es war ihm sofort anders geworden. Etwas, das er nicht ertragen könnte und das er niemanden ertragen lassen wollte.
„Nein, was?“, fragte Sam.
„Lesen. “, Schweigen war die Antwort. Sam sah Matt an, wie er dort saß, den Kopf in seine Richtung geneigt. Auf den Wangen ein dunkelbrauner Schatten. Jetzt sah er, dass Matt die Augen geschlossen hatte. Er sah die Verzweiflung in seinem Gesicht, die sicher noch deutlicher gewesen wäre, würde er ihn sehen können.
Doch dann gäbe es keinen Grund, dass er hätte verzweifelt, ängstlich sein sollen.
„Ich habe es geliebt zu lesen. Jede freie Minute verbrachte ich damit mir jedes Buch vorzunehmen, dass es gibt. Ich habe nie viel Fern gesehen, Musik gehört oder sonst etwas. Lesen, Lesen war mein Leben. Und jetzt, jetzt sitze ich hier in dieser durchdringenden Dunkelheit und kann nie wieder ein Buch lesen. Nie wieder die Schönheit der Sprachen sehen.
Nie wieder. “, seine Stimme war zu einem heiseren Flüstern geworden, selbst in der Stille den Raumes, war es Sam kaum möglich gewesen, Matt zu verstehen.
„Du kannst Blindenschrift lernen. Hörbücher. “
„Das ist nicht das selbe. “
Wieder schwiegen sei sich an. Was Matt davon abhielt jetzt in Panik zu geraten war die Tatsache, dass er Sam neben sich hörte. Er hörte, wie er langsam Atmete, er konnte es ahnen, wie er wahrscheinlich verkrampft dort saß und überlegte, was er sagen sollte.
Aber Matt hatte gar nicht den Wunsch sich zu unterhalten. Er wollte einfach nur wissen, dass jemand da ist. Dass er ihn zwar nicht sehen kann, aber er in seiner unglaublichen Finsternis nicht alleine war. Jedes Mal wenn ihm das Wort durch den Kopf hallte, sich vor seinem inneren Auge zu einem Monster aufbaute, knotete sich sein Magen in Angst zu. Er fühlte ihn schwerer und schwerer werden, konnte, wenn es einmal soweit war, nicht aufhören daran zu denken.
Er wollte es nicht, aber wenn er alleine saß, gab es keinen anderen Gedanken als verlassen zu sein. In gewisser Weise fühlte er sich von seinem eigenen Körper betrogen. Er stellte sich gegen ihn selbst, verursachte die Beklemmung, ohne die ertragen zu können. Am liebsten hätte er geweint, aber er wusste nicht, ob das überhaupt möglich war. Er hatte seit Jahren nicht geweint.
Das letzte Mal war er vierzehn gewesen, das war so lange her.
Es war eine wirklich schöne Erinnerung, aber sie war mit einem solchen Schmerz verbunden gewesen, dass er es seit diesem Tag nie wieder ertragen konnte, den Schmerz noch einmal zu fühlen. Noch einmal so hilflos zu sein. Nun war er hilflos, verloren in sich selbst, alleine in seinem Kopf, mit den Bildnis der Einsamkeit vor sich, wie ein donnernder Wasserfall auf den er zusteuerte ohne sein Boot wenden zu können. Ohne sich davor in Sicherheit zu bringen.
Er starrte auf die Gefahr, das einzige, was ihn davon abbrachte war die Bestätigung, dass er nicht alleine war. Er hatte gar nicht gemerkt, wie das Atmen an seiner Seite ihn schläfrig machte, als er auch schon sorgenfrei durch ein Land flog, das nur er sehen konnte. Er schlief.
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